Rolf Zuckowski in Guatemala

Rolf Zuckowski in Guatemala

Liebe Freunde von Musik für Dich,
auf seinem Rückflug von Guatemala nach Paris schrieb Rolf Zuckowski den nachfolgenden Reisebericht, in dem er seine persönlichen Eindrücke anschaulich schildert.
Adios Guatemala!


Nach 10 Tagen in Guatemala fliege ich nun mit Aero Mexico in die europäische Nacht hinein und mein Kopf ist voller Bilder, die ich lange nicht vergessen werde. Bilder von Kindern, die so herzlich, dankbar und kuschelbedürftig sind, Bilder von Eltern, die kaum glauben können, wie selbstsicher und unbefangen ihre Kinder auf der Bühne agieren, Bilder von "Professores und Maestras" aus der Deutschen Schule und dem dazu gehörigen Kindergarten, die mir vom ersten Moment an wie einem vertrauten Freund begegneten. Unvergesslich vor allem die erste herzliche Begrüßung meiner Familie durch die Schulgemeinschaft. Diese Schule ist eine Insel der Geborgenheit, der kulturellen Begegnung und der Freundschaft. Sie wird von den Schülern aller Altersstufen geliebt, wie man es sich in Deutschland kaum vorstellen kann.



Ich sehe Bilder von blühenden Lebensinseln in einem Land voller schmerzhafter Gegensätze. Bilder von Menschen, denen alles zu fehlen scheint, was wir zum Leben brauchen, und Bilder von Menschen, die sich mit ihrer Familie hinter hohen Mauern privilegierter Stadtteile zurückziehen. Ich sehe schwer bewaffnete Wachen vor Fabriken, an Parkplatzkassen, sogar auf Pepsi-Cola-LKWs. Ich sehe Kinder, die an jeder grösseren Kreuzung in der Rotphase als jonglierende Artisten oder Kleinverkauefer von Nüssen, Banananen, Lollis oder Spielzeug arbeiten: Ich sehe auch den alten Mann, der uns mit einem Kopfstand mitten auf der Fahrbahn zeigt, dass hier manches auf dem Kopf zu stehen scheint - aus unserer europäischen Sicht.

 


Aber meine Maßstäbe kommen ins Wanken. Sollte ich die Kinder bedauern, die sich zu acht, mit den Händen auf dem Ruecken, friedlich eine schmale Matratze für den Mittagsschlaf teilen? Wie würde es ihnen ergehen, wenn sie nur 100 Meter weiter mit ihren Eltern den Müll der städtischen Müllkippe sortieren müssten, gäbe es ihre Kindertagesstätte nicht, die wir mit unseren Konzerten unterstützen wollen. Hier kann sich keines der 250 Kinder all zu wichtig finden, aber es spürt jeden Tag, dass es angenommen, versorgt und beschützt wird, und es bekommt wenigstens den Hauch einer Chance auf erste Bildung. Das ist unendlich viel am Rand der Müllkippe, von der hunderte Familien als "Recycling-Arbeiter" leben muessen, ganz unten am Rand einer Gesellschaft, die für unser Verstaendnis zum grössten Teil am Rand lebt. Aber wo ist hier wirklich der Rand? Welche Lebensart entspräche dem Wunschbild der Guatemalteken? Meine Maßstäbe stimmen hier nicht: Ich lebe am Rand.

 


Ein fruchtbares Land im ewigen Frühling, voller Schönheit, allgegenwärtiger Geschichte, Kulturschätze, voller Vulkane und Erdbebengefahr, voller Bevölkerungsgruppen, die seit über 500 Jahren keinen wirklich gemeinsamen Weg miteinander finden. Ein Land voller Möglichkeiten, die viele mutige und tüchtige Leute segensreich nutzen, wenige andere gewissenlos missbrauchen. Mittendrin wir staunenden, oft verlegen sprachlosen Mitteleuropäer, die von unseren warmherzigen und überaus grosszügigen Gastgebern von einem Familientreffen zum nächsten gefahren eingeladen werden. Familie hat hier noch einen ganz anderen Stand als in Deutschland, und das gilt ausnahmsweise einmal für alle Bevoelkerungsgruppen, seien sie Nachfahren der Mayas, Ladinos oder seit Generationen eingewanderte Europäer. Kaum eine Familie unter drei Kindern, nicht selten mehr als zehn.

Die Bilder aus den vier Konzerten schwirren durch meinen Kopf: "Der kleine Tag", zwei Mal beeindruckend gespielt von der Theatergruppe der Deutschen Schule. Er geht auch hier, mit einem brisanten neuen Mittelteil für die Kinderrechte unter die Haut: Kein Tag ist unwichtig und erst recht kein Kind! Wie viel Hoffnung in den Kindern dieses Landes gesehen wird und wie dankbar ihre Freude erlebt wird, spüren wir auch in den beiden Begegnungskonzerten, die uns überraschen und begeistern. So viele Talente, so gut vorbereitet und ein starkes Team im Hintergrund!



Meine Lieder in spanischer Sprache, wie schön das klingt und schon bald so selbstverständlich. Diese Selbstverständlichkeit verdanken wir der Kindergartenleiterin Gretel Lossau, unserer Liederbrueckenbaumeisterin, die im Schulleiter Joseph Daum und im Bürgermeister Fritz Gracia Gallont überzeugte Verbündete fand. Bis hinein in die städtischen Schulen und Kindergärten hat sie die "Vogelhochzeit" getragen, mehr als 1000 Kinder haben "La boda de los pajaritos" gespielt. Sogar die beiden Maya-Frauen vom Rande des Hochlandes werden nach unserem Workshop nun mit ihren Kindern die Vogelhochzeit spielen, auf spanisch - oder werden Sie meine Lieder in eine der 24 Maya-Sprachen übertragen?

Rolfs Vogelhochzeit in Guatemala


Zehn Tage lang waren wir in Guatemala und ich werde es in Gedanken noch lange sein, mit all den vielen Bildern im Kopf und mit den spanischen Kinderstimmen im Ohr (auch der samtweichen Gesangsstimme des ehemaligen Praesidenten Azur). Vor allem aber werden mich die neuen Freunde in Guatemala noch lange im Herzen begleiten, die kleinen ebenso wie die grossen. "Unser erster Maßstab ist nicht der Erfolg, sondern die Liebe, mit der wir etwas machen", diesen Satz nehme ich mit in meine Welt, und ich werde manches von euch hier weiter geben.
Danke Gretel, danke euch allen, die ihr uns in so kurzer Zeit so vertraut geworden seid! Muchas gracias y a la proxima ver!

 

Besuch in der Fröbelschule

Außer den Konzerten mit Kindern der Deutschen Schule gab es für uns diese Überraschung:
Diese städtische Schule ist nach dem großen deutschen Pädagogen Fröbel genannt. Hier erlebten wir eine Auführung von "Rolfs Vogelhochzeit", als Beispiel für das, was 1000 Schulkinder in Guatemala-City vor einem Jahr erlebten. Danke Gretel Lossau, dir verdanken wir dieses wundervolle Großprojekt, das noch lange nachklingen wird.

Bildergalerie Fröbelschule

 

Konzerte im IGA-Theater

Zwei Konzerte mit den Kindern des Colegio Aleman im IGA-Theater der Stadt Guatemala haben uns einander näher gebracht. Meine Lieder erklangen auf Spanisch und Deutsch, das Gefühl einer besonderen Vertrautheit stand im Raum. Die Kinder aus dem Kindergarten und der Grundschule waren bestens vorbereitet - aber nicht alles lässt sich planen, wie man sieht...

Bildergalerie IGA-Theater

Danke Joseph Daum und Monika Holzer. Diese Fotostory, die wir euch beiden verdanken, sucht ihres Gleichen. Es war ein unvergesslicher Abend mit euch allen im IGA-Theater!
Danke Gretel und allen kleinen und großen Freunden, die uns geholfen haben!