Interview mit Michael Heß (Start zur Serie "Kind und Verkehr")

Interview mit Michael Heß (Start zur Serie Kind und Verkehr)

Wann haben Sie Rolf Zuckowski kennen gelernt?
Anfang der 80er Jahre startete bundesweit die große Kampagne 'Kind und Verkehr' für mehr Sicherheit auf den Straßen. Damals gab es noch jährlich über 70.000 verunglückte Kinder, mittlerweile hat sich die Zahl der Unfälle halbiert, liegt aber leider immer noch bei etwa 35.000. Bei der Startpressekonferenz von 'Kind und Verkehr' lernten wir uns kennen. Rolf mit roter Latzhose im Kreise von Kindern auf dem Boden sitzend und singend, ich mit noch längeren Haaren als Moderator auf der Bühne. Schon damals haben wir uns verbal die Bälle zugespielt. Anschließend haben wir einige regionale Veranstaltungen gemeinsam bestritten. Erst sehr viel später ist aus diesem ersten Kontakt eine enge Zusammenarbeit geworden, die in der Überarbeitung der 'Schulweg-Hitparade' und dem Album 'Schau mal, hör mal, mach mal mit' mündete.

Die Schulweg-Hitparade ist mittlerweile für Tausende von Kindern zur beliebten Unterhaltung geworden. Kaum einer, der nicht 'Zebrastreifen' oder 'Was zieh ich an?' auswendig mitsingen kann.
1991 stand eine Neuaufnahme der bewährten Hitparade an, viele Dinge im Verkehr hatten sich geändert, mittlerweile gab es beispielsweise in den Autos eine Gurtpflicht auch auf den hinteren Sitzen, und Kinder sollten wenn möglich nur noch mit Fahrradhelm auf ihr Rad steigen. Zusammen haben wir Rolfs Lieder der Aktualität angepasst, ich habe ihm auch ganz offen sagen können, welche Texte ich noch nicht treffend fand, da haben wir dann gemeinsam neue Formulierungen gesucht und gefunden. Das Thema 'Aus der Traum, hier beginnt die Wirklichkeit', das an die Ablenkung von Kindern beim Spielen in der Nähe des Straßenverkehrs erinnert, war beispielsweise mein Wunsch.

Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit Rolf Zuckowski?
Rolf ist authentisch, alles, was er macht, macht er voller Überzeugung und aus ganzem Herzen.

Nach 'Rolfs neuer Schulweg-Hitparade' entstand mit ihrer Mithilfe 'Schau mal, hör mal, mach mal mit' von Rolf Zuckowski mit den Musikern Ferri G. Feils und Beate Lambert. Wie kam es zu dieser Produktion für Kindergartenkinder?
Durch unsere vielen gemeinsamen Veranstaltungen für Erzieherinnen und Lehrerinnen haben wir ein Gespür dafür entwickelt, dass viele Themen der Schulweg-Hitparade – so gut sie auch aufbereitet sind – für jüngere Kinder im Vorschulalter noch etwas schwer sind, vor allem die Strophen. Mit den neuen Liedern haben wir uns bemüht, auf die Förderung eher grundlegender Kompetenzen einzugehen, beispielsweise die akustische und visuelle Wahrnehmung betreffend, die Unterscheidung von 'links und rechts' sowie 'nah und fern', die Fähigkeit, aus der Bewegung heraus stehen zu bleiben usw. Wir meinen, dass 'Schau mal, hör mal, mach mal mit' und die 'Schulweg-Hitparade' gut zueinander passen und sinnvolle Ergänzungen darstellen.

Worin sehen Sie die größte Gefahr für Kinder im Straßenverkehr?
Die größte Gefahr für jüngere Kinder lauert bei der Mitfahrt im Auto ihrer Eltern, weil viele Kinder entweder gar nicht oder falsch angeschnallt sind. Es kommt immer wieder vor, dass der Gurt zu nah am Hals liegt oder nicht das Becken umschließt, sondern in den Bauch drückt. Außerdem werden die vermeintlich ungefährlichen, kurzen Strecken oft zum Verhängnis, weil die Kinder dann gar nicht angeschnallt sind oder nicht in ihrem Kindersitz sitzen.

Können Eltern denn noch mehr für die Sicherheit ihrer Kinder tun, wenn sie einen Kindersitz benutzen?
Entscheidend ist, dass der Sitz wirklich benutzt und korrekt angewendet wird. Auch wenn das kleine Kind quengelt gehört es in den Sitz. Ein nach einem Unfall querschnittsgelähmtes Kind ist schlimmer als eine Autofahrt mit einem bockigen Kind. Im Baby- und Kleinkindalter verwenden die meisten Eltern die Kindersitze sehr konsequent. Problematisch wird es bei den größeren Kindern im Grundschulalter. Da wird oft, gerade auf Kurzstrecken, auf die als unpraktisch oder sperrig bezeichneten Sitze verzichtet. Doch bis zu einer Körpergröße von 1,50 Meter müssen Kinder in einem geeigneten Sitz befördert werden. Das gilt auch für Spielgefährten der Kinder, die aus Gefälligkeit kurz mitgenommen werden.

Wie gelingt es, Kindern frühzeitig eine große Vorsicht und entsprechende Umsicht im Straßenverkehr beizubringen?
Indem man die Kinder von klein auf, sobald sie mit den Eltern im Straßenverkehr unterwegs sind, Verhaltensmuster angewöhnt, die sie verinnerlichen. Auch ein dreijähriges Kind kann schon lernen an Straßen oder vor befahrenen Einfahrten stehen zu bleiben und zu schauen, ob ein Auto kommt – auch wenn in diesem Alter das Signal zum Losgehen natürlich von den Eltern kommt. Viele fangen erst mit dem Schulstart an mit ihren Kindern zu üben. Das ist zu spät.

Wann können Ihrer Meinung nach Kinder den Weg zur Schule oder zu einem Freund alleine zurücklegen?
Das kann man nicht pauschalisieren. Über eine große, stark befahrene Straße können Kinder in den ersten Klassen noch nicht alleine gehen, bei ruhigen Nebenstraßen hingegen können Kinder, die den Weg mit ihren Eltern mehrmals abgegangen sind und die potenziellen Gefahren kennen, durchaus alleine gehen. Das hängt aber auch ganz stark von der Persönlichkeit des Kindes und seinem Verhalten im Straßenverkehr ab. Mädchen im Grundschulalter sind beispielsweise oft viel vorsichtiger und umsichtiger als Jungen, die häufig abgelenkt oder übermütig sind.

Warum ist es für Kinder so schwierig zu entscheiden, wann sie sicher über die Straße gehen können?
Weil es eine große Gehirnleistung ist, Geschwindigkeiten und Entfernungen richtig einzuschätzen und daraus die Sicherheitslücke zu bestimmen, die uns eine gefahrlose Überquerung ermöglicht. Dazu braucht ein Mensch viele Erfahrungen und es dauert seine Zeit. Man muss Kindern also die Chance geben, Erfahrungen zu sammeln.

Sie beschäftigen sich nun seit über 25 Jahren täglich mit dem Thema Verkehrssicherheit. Sind sie ein ständig korrekter Autofahrer?
Wenn ich durch Wohngebiete und Straßen fahre, von denen ich weiß, dass ich durch ein Fehlverhalten Kinder massiv gefährde, halte ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung und fahre sehr aufmerksam. Aber auf einer breiten, freien Straße kann es auch mir passieren, dass ich statt 70 mit 75 km/h unterwegs bin.

In den nächsten Wochen werden wir in unserem Magazin eine Themen-Reihe 'Verkehr und Schulweg' veröffentlichen. Hier geht es direkt zu den Artikeln:


Sicherer Schulweg (Teil 1)

Sicherer Schulweg (Teil 2)

Sicherer Schulweg (Teil 3)

Sicherer Schulweg (Teil 4)